Das Defizit-Modell und das Neurodiversitäts-Paradigma repräsentieren zwei grundlegend unterschiedliche Perspektiven auf Autismus und andere neurologische Variationen. Das traditionelle Defizit-Modell betrachtet Autismus als Störung oder Krankheit, die durch Abweichungen von der Norm gekennzeichnet ist und behandelt, korrigiert oder geheilt werden sollte. Der Fokus liegt auf Schwächen, Defiziten und Verhaltensweisen, die als problematisch gelten, mit dem Ziel, autistische Menschen möglichst "normal" zu machen. Im Gegensatz dazu versteht das Neurodiversitäts-Konzept Autismus als natürliche neurologische Variation der menschlichen Vielfalt, vergleichbar mit unterschiedlichen Geschlechtern, Herkünften oder sexuellen Orientierungen. Autistische Menschen werden nicht als defekt oder reparaturbedürftig betrachtet, sondern als Menschen mit einer anderen Art der Wahrnehmung und Informationsverarbeitung, die sowohl Herausforderungen als auch Stärken mit sich bringt. Das Neurodiversitäts-Modell verschiebt den Fokus von individuellen Defiziten hin zu gesellschaftlichen Barrieren und betont, dass viele Schwierigkeiten autistischer Menschen durch eine nicht-autistisch geprägte Umwelt entstehen. Beide Perspektiven prägen aktuell die Diskussion über angemessene Unterstützung, wobei das Neurodiversitäts-Paradigma zunehmend an Bedeutung gewinnt und von vielen autistischen Selbstvertretern bevorzugt wird.